GEOLOGIE DES MÄGDEBERGS


Die Geschichte des Mägdebergs begann lange vor der Geschichte des Menschen. Der Felsklotz aus Nephelin·Phonolith, auf und aus dessen Gestein die mittelalterliche Burg gebaut worden ist, stellt nicht den ältesten Zeugen der Landschaftsbildung rings um den Mägdeberg dar. 1)

Älter als die Phonolithkuppe des Mägdebergs und des ihm unmittelbar vorgelagerten Schwindels ist der südöstlich vom Mägdeberg gegen Duchtlingen zu befindliche Boden. Dieser besteht in seinem obersten Teil aus Tuffschichten, die im Spättertiär aus dem Erdinnern explosionsartig herausgetrieben worden sind. Sie bedeckten damals den grössten Teil der engeren Hegaulandschaft. Beim Aufstieg zum Mägdeberg von Mühlhausen her kann man vor allem an zwei Stellen diese Tuffe gut einsehen: beim Steinbruch an der „Steig“ und im sogenannten ,,Weingarten“. das heisst in dem Äcker unmittelbar südwestlich des Burgwegs zwischen Schwindel und Mägdeberg. Diese Tuffschichten dürften am Ausgang des Spätmittelalters der Erde – also vor rund 30 Millionen Jahren – etwa 100 Meter Dicke gehabt haben.

Damals gab es somit den Mägdeberg als sichtbaren Berg noch nicht, denn höher als der nachmalige Berg lagen die Tuffe in der Landschaft. In die Schlotröhren, durch die die Tuffe ausgespien worden waren, floss später Basalt oder Phonolith nach, füllte sie aus und erstarrte in ihnen zu hartem Gestein. Auch die „Grundsteinlegung“ des Mägdebergs als Phonolith-Pfropfens war damit erfolgt, wenngleich zunächst nur unter der von den Tuffen gebildeten Erdoberfläche. Es dauerte weitere Millionen Jahre, bis die hohe Tuffschicht durch, die Erosion, durch Gletschereis und Gletscherwasser abgebaut war. Die eigentliche Herausbildung der heutigen Mägdeberg-Landschaft erfolgte erst im Diluvium, also in den letzten paar hunderttausend Jahren.

Der Rheingletscher, der damals über das Gebiet des heutigen Bodensees hinweg vorstiess, ging in der mächtigsten Eiszeitperiode – der Riss-Eiszeit – noch über sämtliche umliegenden Hegauberge mit Ausnahme des Hohenstoffeln hinweg. Aber bereits am Ende der letzten Eiszeitperiode – der Würmeiszeit – war der Abbau der Tuffe soweit gediehen, dass die Schlotfüllung des Mägdebergs – also die Phonolithkuppe, auf der heute die Burg steht – zum Vorschein kam.

Die Schubkräfte des Gletschereises und die Abflüsse des Gletscherwassers in der letzten Eiszeitphase schufen gleichzeitig den Steilrand, der sich von Welschingen an Mühlhausen und dem Hohenkrähen vorbei zum Hohentwiel hinzieht

1) Zur Geologie des Gebietes um den Mägdeberg vg1. Wilhelm Schmidle Die Geologie von Singen und seiner Vulkane, 3. A. Singen 1946; ferner Hans Reck, Die Hegau-Vulkane, Berlin 1923.


Bei dem Rückzug des Gletschereises auch die Endmoränen in der Ebene gebildet worden, die von der Höhe des Mägdebergs aus auf den Gemarkungen Welschingen, Ehingen und Mühlhausen besonders gut zu sehen sind. Mit dem Freiwerden der Landschaft vom Gletsdlereis begann die Besiedelung durch den Menschen. Schon in der mittleren Steinzeit taucht der Mensch im engeren Hegau auf 2). Einzelne seiner kleinen Feuersteingeräte sind in der Gegend des Hohentwiels, am Hohenkrahen und auch auf der Kammhöhe zwischen Schüsselbühl und Mägdeberg 3) gefunden worden.

Aus der jüngeren Steinzeit kennen wir auf dem Hohenkrähen vermutlich auch auf dem Hohenhewen Siedlungen der sogenannten Michelsberger . Es ist die älteste bisher festgestellte Besiedelimg der Hegauberge, und sie legt die Vermutung nahe, dass auch die anderen Bergkuppen mindestens zum Teil schon von dem durch sein ausgesprochenen Schutzbedürfnis und seine Vorliebe für Höhensiedlungen bekannten Volk aufgesucht worden sind 4). Die etwas jüngeren „Schnurkeramiker“ sind ebenfalls am Hohenkrähen durch das gefundene Bruchstück eines schnurverzierten Tonbechers nachzuweisen 15). Auch die Suche nach den ältesten Bewohnern des Mägdebergs führt weit in die Vorzeit zurück. Ein glücklicher Zufall lenkte im Winter 1934/35 in einer sonst wenig beachteten Schottergrube am Nordostfuß des Burgfelsens die Aufmerksamkeit eines Bauern auf eine zwischen den Steinen angeschnittene Humusschicht, die mit grossen Mengen von Tonscherben und Tierknochen durchsetzt war. Schaufel und Spaten brachten an dieser Stelle schliesslich die Reste einer Wohngrube zutage, die vor bald dreitausend Jahren Menschen als Behausung gedient hatte 6).

In den abfallenden Hang hineingebaut, hatte diese urtümliche Wohnung – halb Haus, halb Grube – einst bis zu drei Metern Tiefe und abgeschrägte Wände. Gegen den Berghang zu war sie durch eine aus Steinen Roh aufgeschichtete Trockenmauer abgestützt. Vermutlich stand über der Vertiefung einst ein rechteckiger Oberbau aus hölzernen Pfosten und lehmverstrichenem Flechtwerk; er mag etwa 5 Meter breit und 6 – 8 Meter lang gewesen sein. Auf der Nordseite war, wie Holzkohlenreste bewiesen, unter einem kleinen Vordach der Herd angelegt.

2) Zur Urgeschichte des Hegaus vgl. Wolfgang Kimmig, Urgeschichte rund um den Hohentwiel
3) Badische Fundberichte, Bd. 3 Freiburg 1936, S. 349.
4) Kimmig, aaO., S. 19.
5) Ebd., S. 20.
6) Über die Ausgrabung vgl. F. Garscha und W. Rest in Marburger Studien, hg. E. Sprockhoff, Darmstadt 1938, S. 54 H.; Vorbericht Jl1: Badische Fundberichte,
Bd. 3, S. 363, 367. Die geborgenen Keramikreste befinden sich heute im Landesmuseum Karlsruhe.


Die Wohnstelle befindet sich etwa 60 Meter unterhalb der mittelalterlichen Burg, gerade am Beginn des natürlichen Schuttkegels, der sich, rings um den Berg gebildet hat, und nur wenig höher als das heutige Hofgut. Das berührt zunächst merkwürdig, denn jene frühesten Bewohner haben sich damit an einer Stelle angesiedelt, wo der rutschende Hangschutt und Steinschläge ihrem Haus manche Gefahren brachten. Ein weiterer Nachteil des Platzes kommt hinzu, Da die Siedlungsstelle am Nordhang liegt, gerät sie im Sommer schon gegen 11 Uhr morgens und im Winter noch früher in den Schatten des Berges. Es ist daher anzunehmen, dass das Haus jeweils nur während des Sommers bewohnt war 7).

Die Nachteile des Siedlungsplatzes werden aber durch mehrere Vorzüge aufgewogen, dieselben, die noch 1830 für die Verlegung des neuen Gutshofes an diese Stelle bestimmend waren: Der Berghang bot der Siedlung Schutz gegen die von Westen kommenden Winde der Schlechtwetterperioden; zudem besteht gerade der Osthang des Mägdebergs grossenteils aus gutem Wiesen- und Weideland, das vor allem auch in trockenen Jahren ertragreich bleibt. Das war vor 3000 Jahren nicht anders als heute. Noch weit wichtiger war ein dritter Vorteil des Platzes: Nur 30 Meter nördlich von ihm entspringt eine Quelle, der heutige „Eselsbrunnen“. Diese noch im Mittelalter „heilige“ Quelle, die jetzt nur noch als Viehtränke dient und ihre einstige Bedeutung kaum noch ahnen lässt, hat in der früheren Besiedlungsgeschichte des Berges eine grosse Rolle gespielt, sie war die einzige natürliche Wasserquelle im Bereich des Burgfelsens.

Das urtümliche Haus jener ältesten Bewohner des Mägdebergs muss von der älteren Hallstattzeit (rund 800 v. Chr.) bis gegen Ende der Latènezeit (etwa 250 v. Chr.) bewohnt gewesen sein. Wie das mehrfach gestörte Profil der Grube verriet, ist es manchmal von Steinschlägen und Geröllawinen getroffen und zerstört worden. Aber mit einer bemerkenswerten Zähigkeit haben seine Bewohner an dieser Wohnstätte festgehalten. Vermutlich hat das Gehöft am Mägdeberg in einem engen Zusammenhang mit der vorkeltischen und keltischen Siedlung im Aachgrund bei Singen gestanden, deren Gräber in den letzten Jahren in grosser Zahl aufgefunden worden sind. Auch seine Verödung liegt nur wenig vor der Zeit, zu der die 5ingener Siedlung aufgegeben worden ist. Wir wissen aus anderen Quellen, dass damals ein Teil der keltischen Bewohner Süddeutschlands nach Süden abzog und dass der Hegau hierbei vermutlich viele seiner früheren Bewohner verloren hat 8).

7) Garscha- Rest, aaO., S. 56.
8) Dazu Kimmig/ aaO., S. 33 f.

Quelle: Eberhard Dobler, Burg und Herrschaft Mägdeberg, 1959

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