MÄGDEBERG ALS KULTSTÄTTE


In vorgeschichtliche Zeit führt auch der Name des Mägdebergs zurück. Der alte Ursprung dieses Namens steht ausser Zweifel: schon die ältesten Urkunden aus dem 13. Jahrhundert nennen den Berg „Megideberc“, „Megdeberg“ oder „Magdeberc“ 1). Dem Wort liegt das althochdeutsche „magad“, „magid“ = ,,Jungfrau“ in seiner Pluralform zugrunde 2). Der Mägdeberg ist demnach ein „Berg der Jungfrauen“. Der Name kommt in gleicher oder verwandter Schreibweise auch bei zahlreichen anderen Bergen vor: „Mettenberge“ gibt es zum Beispiel bei Immendingen 3), Sigmaringen 4) oder im Kanton Bern 5), und auch die Madenburg in der Pfalz gehört sprachlich in diese Reihe.

Sein Name verrät den Mägdeberg als Kultstätte der keltischen „Drei Beten“ oder „Drei Matronen“, der drei jungfräulichen Muttergottheiten. Ainbed, Borbed und Wilbed, deren Verehrung hier wie an ungezählten anderen Orten auch von den in der Völkerwanderungszeit eingewanderten Alemannen übernommen worden ist 6). Auf Bergen, in Wäldern und bei Quellen lagen die heiligen Stätten dieser drei Gottheiten, die wohl als Erd-, Sonnen- und Mondmutter zu deuten sind. Neben den Mägdebergen erinnern noch viele Frauenberge, Sonnen- und Mondberge, Jungfernbühle und Betenbrunnen oder Namen wie Mettenbuch, Mettnau, Heiligenberg und Frauenzimmern überall im deutschen Sprachgebiet an sie 7). Im Hegau gehört der von vorchristlichen Sagen umwobene Hohentwiel 8) wohl ebenso zu ihren Kultstätten wie der Heilsberg 9). Von einstigen „Frauenwäldern“ zeugen in mehreren Hegauorten noch die Sagen von den waldschenkenden Fräulein, etwa in Welschingen Ehingen, Bohlingen, Hilzingen, Stein am Rhein, Öningen und Wiechs 10). Auch die eigenartige, kirchlich nicht sanktionierte Wallfahrt zum Jungfrauengrab in Tengen 11) leitet wohl auf die „Drei Beten“ zurück 12).

1) Der früher in Mühlhausen gebräuchliche, heute nur noch wenig zu hörende Name „Neberg“ ist jünger. Er gehört wohl erst der 1479 nach hundertjähriger Ruinenzeit wiedererstandenen Burg an, dem „Neuberg“ oder „Neuwürttemberg“.
2) A. Krieger, Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Badent 2. A. Heidelberg 1904, Bd. 2, Sp. 119.
3) Nach Flurkarte.
4) VgJ. Ztschr. f. Gesch. d. Oberrheins (=ZGO) 35, 307 f.
5) Bei Delsberg.
6) Dazu Hans Ch. Schöllt Die drei Ewigen Jena 1936. Vgl. ferner Joh. Künzig, Die drei Jungfrauen am Oberrhein in: Oberdeutsche Zeitschr. f. Volkskunde, 1930, sowie W. Heiligendorff, Der keltische Matronenkultus und seine Fortentwicklung im deutschen Mythus, 1934.
7) Schöll, S. 64 u. a.
8) Zur Namensableitung vgl. Schöllt S. 97. Die Sagen zusammengestellt bei Funk, Frühbesiedelung des Hegaus, aaO., S. 37 f. Ein Namensvetter des Twiel ist im Hegau wohl der Willberg (Wil-Berg = Mondberg) bei Weil in dessen Nachbarschaft findet sich bezeichnenderweise auch ein „Himmelsbuck“.
9) Vgl. die volkskundlichen Angaben bei Funk aaO., S. 36.
10) ‚Welschingen: Drei Edelfräulein aus Binningen sollen der Gemeinde einst den „Ertenhag“ geschenkt haben (vgl. „Das Volk“, Freiburg, Ausgabe vom 9. 9. 1950). Im Ertenhag sind voralemannische Grabhügel. Ehingen: vgl. August Böhm, Die Hegaugemeinde Ehingen, Engen 1931, S. 15. Bohlingen, Hilzingen, Wiechs, Stein, vgl. Funk aaO., S. 48, 36, 32, 48. Öhningen: Der Untersee Jahrband 1926 des Landesvereins Badische Heimat, Karlsruhe 1926, S. 60.
11) Vgl. Funk, S. 32 j Ludwig Heizman, Der Amtsbezirk Engen, Engen 1934, S. 69 f.
12) Vgl. die ähnlichen Beispiele bei Schöll S. 82.


Vielfältig sind die volkskundlichen Einzelzüge die grossenteils in jüngerem, christlichem Gewand, an die frühere Bedeutung des Mägdebergs als Kultstätte der drei Beten erinnern: Bis zu der Aufhebung der letzten St. Ursulakapelle im Jahre 1788 war der Berg Ziel volkstümlicher Wallfahrten; bis heute sind daneben Legenden und Überlieferungen lebendig geblieben die in ihrem ursprünglichen Sinngehalt ebenfalls weit zurückführen. Diesen kultisch-volkskundlichen Einzelzügen nachzugehen, ist angesichts ihrer Vielfalt gerade bei diesem Berg von besonderem Reiz. Das eindrucksvollste Bild von der einstigen kultischen Bedeutung des Berges vermittelt die Geschichte seiner Wallfahrt. Diese Wallfahrt war weit älter als die wohl erst im 15. Jahrhundert aufgekommene St. Ursulaverehrung auf dem Mägdeberg, die früheste christliche Wallfahrtskapelle an dieser Stätte muss ein Marienheiligtum gewesen sein. Denn zum Jahr 1466 wird in einer Konstanzer Chronik ein nach dem Volksglauben wundertätiges Marienbild erwähnt, das damals in der St. Lorenzkirche in Konstanz stand und, wie der Chronist hinzusetzt, von Krieges wegen „vor 103 Jahren“ vom Mägdeberg nach Konstanz gebracht worden sei 13):

Item unser frow, die ist uf sant Lorencen altar bi dem obren markt, die ist bürttig uss dem Hegi bi der Mägtburg, daz da lit bi den dru Stofflen 14) im Hegi, und het grosse zaichen ton an deenen enden. Und von krieg wegen ist sie in die cappel kumen und daz ist 100 jar und 3 jar“.

Die Rückrechnung nach der Angabe des Chronisten ergäbe 1363 als Jahr der Uberführung des Bildes nach Konstanz; gemeint ist aber ohne Zweifel das Jahr 1378, in dem die Burg Mägdeberg von den Konstanzern belagert und völlig zerstört worden ist 15). Das wundertätige Marienbild – wohl eine schlichte Holzplastik von der Art der bis heute erhaltenen Wallfahrtsbilder in der Brunnenkapelle bei Hattingen 16) in Birnau oder auf dem Frauenberg bei Bodman – dürfte auf dem Mägdeberg vor 1378 in der Burgkapelle seinen Platz gehabt haben 17).

13) Franz J. Mone, Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte, 1841/67, Bd. 1, S. 348.
14) Die drei Burgen auf dem Hohenstoffeln.
15) Vielleicht liegt ein Versehen des Chronisten bei der Übernahme der Jahreszahl zugrunde: die römischen Ziffern „mccclxiii“ anstelle von „mccclxxviii“?
16) Vgl. Albert Funk, Hegau – Lage, Namen, Grenzen, in: Hegau, Ztschr. f. Gesch., Volkskunde u. Naturgesch. des Gebietes zwischen Rhein, Donau u. Bodensee, Heft 1, Singen 1956, S. 11 ff. (5. 15, Anm. 16).
17) Die Herkunftsbezeichnung „bei der Mägtburg“ kann trotz ihres ungenauen Ausdrucks nicht anders als auf den Mägdeberg selbst bezogen werden: Eine einzelstehende Kapelle ohne räumlichen Zusammenhang mit der Burg wäre wohl kaum von den Kriegsereignissen betroffen worden; zudem stand auch die seit der Mitte des 15. Jh. nachweisbare jüngere Kapelle auf dem obersten Felsgipfel des Berges. Der Konstanzer Chronist zum Jahr 1466 kannte den Namen „Mägtburg“ nur als den einer seit bald neunzig Jahren zerstörten und seitdem nicht wiederaufgebauten Burg deren Örtlichkeit er vermutlich nie gesehen hatte. Der ungenaue Ausdruck ist damit ohne weiteres zu erklären.


Das Vorhandensein einer solchen Kapelle steht schon deshalb ausser Frage, weil die hochmittelalterliche Burg nicht nur eine Gründung des Klosters Reichenau, sondern auch länger als ein Jahrhundert freies Gut und zeitweiliger Aufenthaltsort der reichenauischen Äbte gewesen ist. Das schliesst nicht aus, dass die Marienwallfahrt zum Mägdeberg älter war als die seit 1240 nachweisbare reichenauische Burg. Uber das Schicksal des einstigen Mägdeberger Wallfahrtsbildes nach 1466 ist nichts mehr bekannt. Weil es auch in keinem der Konstanzer Kircheninventare der späteren Zeit mehr erwähnt wird, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass es im Bildersturm der Reformationszeit (1527) untergegangen ist. Mit der Zerstörung der Burgkapelle und der Wegführung des Bildes nach Konstanz haben 1378 die Marienwallfahrten zum Mägdeberg ihr Ende gefunden. Nur das heutige Nebenpatrozinium Unserer Lieben Frau in der Mühlhauser Pfarrkirche enthält möglicherweise noch eine Erinnerung an sie. Die Verehrung der bäuerlichen Wallfahrer des 14. Jahrhunderts hatte nicht so sehr an ein vergeistigtes Bild, sondern gegenständlich und für die Augen fassbar an das „wunderkräftige“ Wallfahrtsbild selbst angeknüpft. Mit seinem Verlust war daher der Mägdeberger Marienwallfahrt in den Augen des Volkes ihr eigentlicher Mittelpunkt genommen. Was blieb, war das Bewusstsein, dass der Berg von alters her heiliger Boden war. Diese Überlieferung hat schon im 15. Jahrhundert einen neuen Anknüpfungspunkt in den legendären Gestalten der h1. Ursula und ihrer 11.000 Jungfrauen gefunden. 1479 und 1524 wird auf dem Berg wieder eine Kapelle erwähnt, schon 1444 und 1461 das Haus eines „Bruders‘ in den Ruinen der alten Burg 18). Diese neue Kapelle ist unzweifelhaft die bis 1788 gebliebene St. Ursulakapelle, auch wenn ihr Patrozinium für die Zeit vor dem Dreissigjährigen Krieg urkundlich nirgends bezeugt ist. Dass sie sehr volkstümlich und damit auch Wallfahrtskapelle war, ist durch das Vorhandensein eines eigenen Bergbruders, der den Mesnerdienst besorgte, bewiesen. Eine solche Verbindung von „Bruderhaus“ und abgelegener Wallfahrtskapelle findet sich im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein an vielen Orten.

So wie im 12. und 13. Jahrhundert die Marienverehrung eine Hochblüte erlebt hatte, brachte das Spätmittelalter eine ungemein volkstümliche Welle der St. Ursulaverehrung hervor. Nach der Legende war diese Heilige die Tochter eines britischen Königs, die mit einer Schar von 11 .000 Jungfrauen auf der Rückkehr von einer Pilgerfahrt nach Rom bei Köln von den Hunnen durch Pfeilschüsse getötet wurde. Diese bis ins 11. Jahrhundert erst zum Teil ausgebildete Erzählung ist im Spätmittelalter bis ins Phantastische ausgesponnen worden. Zugleich fand damals der Kult der Elftausend Jungfrauen du!‘ h die C1bertragung vermeintlicher Reliquien in ganz Deutschland weiteste Verbreitung 19). Beziehungen zwischen dem Legendenkreis um die hl. Ursula und dem verdunkelten Erinnerungsgut um die vorchristlichen „Drei Frauen“ sind mancherorts deutlich zu erkennen 20). So hat sich auch um den Mägdeberg vermutlich in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, eine Ranke der Ursulalegende gelegt, mit der das Volk jener Zeit eine neue Deutung für den Namen des Berges fand: auf ihrem Rückweg von Rom soll nämlich die Schar der 11.000 Mägde den Berg besucht und auf ihm ein Frauenkloster gestiftet haben 21). Die Erzählung von jenem Kloster wurde durch Generationen mit einer festen Überzeugung weitergetragen, von der den besten Eindruck eine Notiz zu geben vermag, die der Mühlhauser Pfarrherr Johann Jakob Baro um 1760 in sein Calendarium einschrieb 22):

Möggberg war allzeit ein römisches Forum, auch Castrum und ein Frauen Kloster, niemals eine Burg oder Abstammungsschloss wie einige Wohldiener es den Herren von Rost 23) zueignen“.

Viele der alten Drei-Frauen-Orte zeigen Spuren eines vorchristlichen Quellenkultes, der sich in verändertem Gewand oft bis tief in die christliche Zeit hinein erhalten hat 24)

18) 1479: „Bedenken des Landhofmeisters zum Tag von Augsburg (1480)“ im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Der Herrschaft Feinde, Büschel 15, WR 4460, Vl.
1524, GLA, Abt. 229, 63 184.
1444: Regesta Episcoporum Constantiensium, Regesten zur Geschichte der
Bischöfe von Konstanz, bearb. v. P. Ladewig u. Th. Müller, Innsbruck 1895 ff. Bd. 4, S. 111
1461; GLA – Berain 10855/ fol. 4 V.
19) Vgl. Josef Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst Stuttgart 1943, S. 706.
20) Vgl. SchölI, S, 10 f.
21) Vgl. etwa K. Weiss/ Hohentwiel und Ekkehard, Singen 1910, S. 323.
22) Calendarium Perpetuum von 1703, 2. Teil, Pfarrarchiv Mühlhausen (Schreiber und Datierung nach Schriftvergleich mit dem Taufbuch)
23) Die damalige Standesherrschaft Mühlhausens, mit der Baro offenbar nicht im besten Einvernehmen lebte.
24) Vgl. etwa die schon erwähnte Brunnenkapelle bei Hattingen. Ein „Heiligenhäuschen“ in unmittelbarer Nähe von Quellen findet sich im 16. Jh. auch am Hohentwiel (Karl v. Martens, Geschichte von Hohentwiel, Stuttgart 1857/ S. 59). Vgl. im allgemeinen Schöll, S. 64, 65 u. a.


Ein solcher einst den Drei Beten heiliger Quell ist der Eselsbrunnen an der Ostflanke des Mägdebergs. Er ist heute fast vergessen, da er abseits des jetzt allein benutzten Zugangsweges zum Mägdeberg, der im Mitteldorf ansetzenden „Stein“ liegt. Das war nicht immer so, denn am Eselsbrunnen vorbei führte ein alter Pfad von dem Dorf in der Wieden zum Berggipfel, der nicht nur der kürzeste Zugangsweg, sondern vermutlich auch einmal Prozessionsweg zum Mägdeberg war 25). Er begann etwa bei dem vorchristlichen Alemannenfriedhof nördlich der Kapelle, lief nördlich an der „Bubenhalde“ vorbei zum Eselsbrunnen und erreichte zwischen dem vorgelagerten „Schwindel“ 26) und dem Burgfelsen hindurch den heute noch benutzten Pfad der von Süden her auf die Bergkuppe hinaufsteigt. Das Wasser des Eselsbrunnens galt bis in die jüngste Zeit hinein als heilkräftig. Aus seiner Brunnenstube wurden auch, wie man den Kindern auf dem Mägdeberger Hof noch um 1890 zu erzählen pflegte, die neugeborenen Kinder geholt 27). Von einer besonderen Kraft dieses Brunnens berichtet schon eine 1755/56 niedergeschriebene barocke Legende 28): Nach ihr hatte es um 1670 der damalige Schlossherr auf dem Mägdeberg unter strengster Strafe verboten, das Wasser der Quelle zum Waschen schmutziger Genstände zu benutzen, weil es der Fürbitte der heiligen Ursula auf wunderbare Weise zu verdanken sei“. Der „St. Ursula-Brunnen“ war damals ummauert und mit einem Ziegeldach abgedeckt 29). Trotz des Verbots habe, so erzählt die Legende, ein calvinistischer Perückenmacher aus der Schweiz, der auf dem Schloss gerade in Arbeit stand, sein Handwerkszeug in der Quelle gewaschen. Auf diesen Frevel hin sei das Wasser versiegt, und es habe erst wieder zu fliessen begonnen, nachdem sich der Übeltäter im Gefängnis bekehrt hatte. In Verbindung mit dem Namen der heiligen Ursula deren Wallfahrtskapelle der Berg damals trug, hatte sich, wie die Legende erkennen lässt, die überkommene Ehrfurcht vor der Quelle bis in das 17./18. Jahrhundert hinein erhalten und in ein den Menschen des Barock verständliches Gewand gekleidet.

25) Im Esch hinter der Kapelle gegen den Mägdeberg hinauf in dem Berain von 1461 wiederholt ein „Heiliger Weg“ erwähnt (z.B. fol. 13 r, 15 v, 17 r). Seine genau Lage lässt sich anhand der Berainstellen nicht bestimmen; man wird ihn aber in der Nähe des alemannischen Begräbnisplatzes lokalisieren müssen. Vielleicht war der „Heilige Weg“ der Anfang des Prozessionsweges zum Mägdeberg.
26) Schwindel: von „schwenden“ = „roden“; also: „gerodeter Hügel“.
27) Im Dorf Mühlhausen knüpfte sich die entsprechende Erzählung an die Brunnenstube in der „Delle“. Die Erzählung vom kinderbringenden Storch war um 1890 in Mühlhausen dagegen noch nicht gängig.
28) Calendarium Perpetuum von 1703, 2. Teil/ im Pfarrarchiv Mühlhausen. Der Eintrag ist von der Hand des 1755/56 amtierenden Pfarrers Johann Jakob Reichard. .
29) Eine Reparaturrechnung für das Schloß von 1650 erwähnt die Verwendung
von Dachplatten für den „St. Ursula Pronnen“ – GLA, Abt. 229, 63 184.


Wie viele der alten „heiligen“ Berge hat auch der Mägdeberg seine Sage von unterirdischen Gängen: Unter der Burg soll- der Einstieg eines zum Hohenkrähen hinüberführenden Gange, liegen. Nach einer anderen Erzählung umschliesst der Mägdeberg in seinem Innern eine weite Höhle mit einem •unterirdischen See. Unter der Burg soll auch ein riesiges Fass mit auffallend tiefrotem Wein vergraben sein. Diese Sagen könnten an eine vergessene Bedeutung des Mägdebergs als eines der vielen Totenberge erinnern, in denen nach dem Glauben der vorchristlichen Zeit die Verstorbenen der Dorfgemeinschaft „in einer hohen Halle“ ihrer Wiederverkörperung harrten 30). In der Sage von dem vergrabenen Weinfass steckt wohl auch noch die Erinnerung an den früher auf dem Mägdeberg betriebenen Weinbau. Die schon in der Sage vom unterirdischen Gang anklingende Verbindung zum Hohenkrähen erscheint in einer anderen Sage wieder, nach der zwischen Mägdeberg un Hohenkrähen die eine Hälfte eines goldenen Kegelspiels vergraben liege; die zweite Hälfte sei in Wien 31). Auch die Kegelspielsage ist von manchen der einstigen Dreifrauenkultstätten bekannt, im Hegau etwa vom Hohentwiel 32) ferner von Wangen 33), Dettingen 34) und vom „Heidenschlösschen“ bei Orsingen 35). In dem von der Sage beschriebenen Gebiet zwischen Mägdeberg und Hohenkrähen gibt es 1461 die Flurbezeichnung „Meggelishart“, Meygelishardt“ 36) „]ungfrauenwald“ mit einer merkwürdigen „Steinmauer“ 37) , die beide mit dem alten Kult der Drei Beten zusammenhängen können 38). Zu erwähnen ist auch die Lagebezeichnung „beim Kreuz“ für den Platz unmittelbar südlich des Duchtlinger Weges auf dem Kamm des Bergrückens; ein hölzernes Kreuz – vermutlich der Nachfolger eines alten Wetterkreuzes – hat hier noch um 1880 gestanden.

30) Vgl. dazu Schöll, S. 100
31) Frdl. Mitteilung von Herrn Buchegger, Mühlhausen. Nach einer anderen Mühlhauser
Erzählung soll auch unter der Burg Hohenkrähen ein goldenes Kegelriess liegen, „mit dem Poppele gespielt hat“.
32) Vgl. Funk, Frühbesiedelung des Hegaus, aaO., S. 38.
33) Bei dem Hof Langenmoos, bei einer Quelle am Fusse einer vorgeschichtlichen Ringwallanlage ; vg!. Der Untersee, S. 60.
34) Funk aaO., S. 46.
35) Vgl. Hegau, Heft 1/1957, S. 73.
36) GLA – Berain 10 855, z. B. fol. 25 r, 30 r, 31 r, 34 v. Das Flurstück lag an der Gemarkungsgrenze gegen Duchtlingen hinter dem Schüsselbühl. Das angrenzende Gewann auf Duchtlinger Seite heisst heute „Eglishardt“ – eine verschliffene Namensform aus „Meggelishart‘?
37) Berain 10 855, z. B. fol. 30 r, 31 r.
38) Der kultische Brauch, „Steine zu opfern“ und zu Hügeln zusammenzutragen, ist vielerorts bezeugt; vgl. die Nachweise bei Schöll, S. 99 f. Man wird dabei an die eigenartige Sitte des Steintragens auf dem Hohentwiel erinnert (vgl. etwa von Martens, S. 57), die schon vor dem Dreissigjährigen Krieg bestand und möglicherweise doch nicht nur mit einem festungsbaulichen Erfordernis zu erklären ist.


Die uralte Frauenwallfahrt, Klostersage und Quellenverehrung sind neben dem Namen des Berges selbst die augenfälligsten Merkmale, in denen die kultische Bedeutung des Mägdebergs in christlicher Zeit fortlebte. Es ist aufschlussreich und zeigt das „Typische“ in der kultisch-volkskundlichen Rolle des Mägdebergs, dass diese Einzelzüge in ähnlicher Gruppierung bei mehreren bis in die Gegenwart vielbesuchten Wallfahrtsorten der Umgebung wiederkehren: Auf dem Heiligenberg über dem Salemer Tal finden sich uralte Wallfahrt (Kapelle 1353 erwähnt, Marienglocke von 1482), Klostersage, prähistorischer Ringwall und voralemannische Gräber beisammen 39).

In dem 1275 erstmals genannten linzgauischen Wallfahrtsort Bettenbrunn erinnert an einen einstigen Quellenkult der Drei Beten ausser dem Ortsnamen selbst die auffallende Erscheinung, dass das Wallfahrtsbild Unserer Lieben Frau bis in die Neuzeit nicht in der Wallfahrtskirche, sondern auf einem davor fliessenden Brunnen gestanden hat 40).

In Baitettbausen (früher „Bettenhusen“) bei Meersburg trifft der auf die Drei Beten zu deutende Name ebenfalls mit einem schon 1275 nachweisbaren, auf einem Berg über dem Dorf gelegenen Wallfahrtsheiligtum Unserer Lieben Frau zusammen 41).

Allerheiligen auf dem Gehrenberg über Markdorf hat neben einer alten Marienwallfahrt auch die Erzählung von einem einstigen Frauenkloster 42).

Auf dem Liebfrauenberg bei Bodman, wo sich 1318 die überaus volkstümliche Marienwallfahrt und eine baulich selbständige Kapelle schon wenige Jahre nach dem Untergang der alten Burg (1307) feststellen lassen, war nach Schönhuth noch um 1830 in einem Sandsteinfelsen unter der Kapelle die Zeichnung eines „die Hörner aufwärts kehrenden Mondes“ zu sehen 43). In nächster Nähe liegt die vorgeschichtliche „Bodenburg“ mit Brandgräbern der Urnenfelderzeit 44)[ die ihren Namen wohl nicht nur von den Drei Beten erhalten, sondern ihn auch an den Ort Bodman 45) und damit an den Bodensee weitergegeben hat.

39) Vgl. Franz X. Krauss, Die Kunstdenkmäler Badens, Bd. 1 – Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz, Freiburg i. Br. 1887, S. 428. – Im Volksmund wird der Name heute noch vielfach als „der heilige Berg“ ausgesprochen.
40) Vg1. Benvenut Stengele, Linzgovia Sacra, Uberlingen 1887, S. 98 H.
41) Stengele, S. 169; Krieger 1,1 15.
42) Stengele, S. 188.
43) Otmar Schönhuth, Die Ritterburgen des Höhgaus, Konstanz 1833 ff., Teil 4,S. 58.
4.4) Vgl. Funk, Frühbesiedelung des Hegaus. aaO., S.43 f.; Kunstdenkmäler Badens 1,464.
4.6) Auch die Schreibweise „Boedemin“ kommt vor; vgl. Krieger 1,235 (zum Jahr 1270).

Quelle: Eberhard Dobler, Burg und Herrschaft Mägdeberg, 1959


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