Das heutige Gesamtdorf Mühlhausen ist aus zwei Siedlungskernen zusammengewachsen, die ursprünglich durch einen etwa 800 m breiten Zwischenraum getrennt waren: dem jetzigen Oberdorf auf der „Leberen“ und dem Unterdorf bei der uralten Mühle am Hepbach, der sogenannten „Wieden“). Obwohl auf einheitlicher Gemarkung gelegen, haben beide Dorfteile in manchem verschiedene Schicksale gehabt. Von dem Oberdorf auf der Leberen war schon die Rede. Es ist in seinem Kern anscheinend die älteste bestehende Siedlung auf Mühlhäuser Boden und geht wahrscheinlich, wie etwa auch die Dörfer Welschingen, Wahlwies und Wallhausen, auf eine Restsiedlung keltoromanischer, „welscher“ Leute zurück, die die Stürme der Völkerwanderungszeit und der alemannischen Landnahme überdauert haben und dabei in Abhängigkeit von den neuen alemannischen Herren des Landes geraten sind. Die Leberen liegt fast im Mittelpunkt der heutigen Mühlhauser Gemarkung an der vorgeschichtlichen Strasse von Singen zur oberen Donau.
Nach Südosten zu stößt die Mühlhauser Gemarkung längs dieser Straße unter dem Hohenkrähen hindurch bis unmittelbar an die Gemarkung von Singen vor, die sich aus der Gegenrichtung in einem schmalen Streifen ebenfalls der Strasse entlang vorschiebt. Durch diese vorspringenden Zipfel Mühlhauser und Singener Gebietes werden die zwischen beiden Orten liegenden Gemarkungen Schlatt und Hausen an der Aach vollständig von der alten Strasse abgeschnitten.
Da Schlatt und Hausen, wie schon ihre Namen erweisen, jüngere Dörfer aus der zweiten alemannischen Siedlungsperiode (etwa im 6.-8. Jahrhundert nach Christus) sind, hat es den Anschein, dass die Besitzverteilung längs der Strasse am Hohenkrähen schon auf die Zeit vor der Gründung dieser beiden Ortschaften zurückgeht. Das bedeutet, dass nicht nur die Gemarkung des schon in der ersten alemannischen Siedlungszeit entstandenen Singen, sondern auch die Gemarkung von Mühlhausen an dieser Stelle einen Besitzstand wiedergibt, der älter ist als die Dörfer Schlatt und Hausen. Dies berechtigt zu der Annahme, dass das Gebiet um die Mühlhauser Leberen einer eigenen Gemarkung zugehörte, die etwa gleichalt wie Singen und älter als die Gemarkungen Schlatt und Hausen war, die mit anderen Worten bereits in die erste alemannische Siedlungsperiode in der letzten Hälfte des 5. und am Anfang des 6. Jahrhunderts n. Chr. zurückreicht 2).
1) Der Name „Wieden“ ist wohl als „(Vieh-) Weide“ zu deuten. Eine Ableitung vom Kirchenwidum scheidet aus, da dieses hauptsächlich in der Leberen und bei der Johannesbrücke lag. Für den alten Sprachgebrauch (1461) vgl. Berain 10855/ fol. 4 v: „Der acker den man nempt zu der Widen“. Genau genommen ist die „Wieden“ nur der Siedlungsteil um die Mühle nordöstlich der Bahnlinie, das Gebiet des früheren Kellhofs und die Josefskapelle gehören also nicht zu ihr. Dennoch wird in folgenden der Name für das gesamte Unterdorf verwendet, da es an einer anderen zusammenfassenden Bezeichnung für diesen Dorfteil heute fehlt.
2) Zur Datierung vgl. den Überblick bei Funk, Frühbesiedlung des Hegaus, aa O.S. 29
Stellt man hiermit die schon erwähnte Mühlhauser Überlieferung zusammen, der zufolge das Dorf einmal im Gebiet gegen den Hohenkrähen zu gelegen haben soll, und berücksichtigt man ferner, dass sich auch das am frühesten urbar gemachte Ackerland in diesem Gebiet befindet, so muss es als durchaus wahrscheinlich gelten, dass schon in der alemannischen Frühzeit des 5. oder 6. Jahrhunderts im Gebiet der Leberen eine Ansiedlung mit eigener Gemarkung bestanden hat. Diese Siedlung kann freilich nur einen geringen Umfang besessen haben. Noch nach den Einzelangaben des Berains von 1461, insbesondere der aus ihm ersichtlichen Gebäudeverteilung, kann die Siedlung auf der Leberen damals kaum halb so gross wie das Dorf in der Wieden gewesen sein und schwerlich mehr als 50 – 60 Menschen umfasst haben. Man wird deshalb auch, für die Frühzeit auf der Leberen nicht mehr als einen alemannischen Hof mit mit seinen zugehörigen Hintersassen suchen dürfen. Allem Anschein nach handelt es sich um den noch zu besprechenden späteren friedingischen Adelshof, von dem aus am Ende des 12. Jahrhunderts die Burg Hohenkrähen und die Pfarrei Mühlhausen gegründet worden sind.
Bereits bei seinem ersten urkundlichen Erscheinen im Jahre 787 trägt das Dorf den Namen „Mulinusa“, aus dem im Laufe der Zeit das neuhochdeutsche „Mühlhausen“ geworden ist 3). Diese Bezeichnung ist zweifellos von der Wassermühle am Hepbach, mithin von dem Dorfteil in der Wieden, abgeleitet und kann daher nicht älter sein als dieser jüngere Siedlungsteil und die zu ihm gehörende Mühle. Gleich wie bei zahlreichen anderen oberdeutschen „Mühlen“-Orten dürfte damit auch hier der Mühlen-Name nicht der älteste des Dorfes sein 4). Vielmehr muss die Ansiedlung auf der Leberen ursprünglich einen eigenen, urkundlich nicht mehr nachweisbaren Namen getragen haben, der erst nach der Gründung der Mühle und der Siedlung am Hepbach durch die neue Bezeichnung „Mühl-Hausen“ verdrängt worden ist. Wie sich aus der Namensendung auf ,,-hausen“ schliessen lässt, dürften die Gehöfte in der Wieden in der zweiten alemannischen Siedlungsperiode, im 6. oder in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts nach Christus, gegründet worden sein. Ein Teil des zugehörigen Friedhofs mit Gräbern etwa aus dem 7. Jahrhundert wurde 1932 eben dem alten „Heerweg“ rund 150 m nordwestlich der Josefskapelle gefunden 5).
2) Zur Datierung vgl. den Überblick bei Funk, Frühbesiedlung des Hegaus, aaO. S. 29. 3) Hermann Wartmannl, Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Bd. 1, Zürich 1863, Urkunde Nr. 111.
4) Zur Problematik der von Mühlen abgeleiteten Ortsnamen vgl. Karl Weller, Geschichte des schwäbischen Stammes, München 1944, S. 131/ 335.
5) Bei der Verbreiterung der Strasse nach Welschingen wurden drei Steinplattengräber mit Beigaben, darunter ein Mannesgrab mit Reiterschwert (Spatha), angeschnitten; Badische Fundberichte, Bd. 2, Freiburg 1932, S. 258, 390. Die weitere Notiz in den Bad. Fundberichten, aaO., S. 391, dass auch, ,,am Ortsausgang gegen Schlatt“ ein Steinkistengrab gefunden worden sei, beruht auf einem Irrtum; frdl. Mitteilung von Herrn Albert Funk, Singen.
Die Wieden ist somit jünger als die benachbarten alemannischen -ingen-Orte Ehingen, Weiterdingen, Duchtlingen, Singen und Friedingen, die schon der frühen Besiedelungszeit in der letzten Hälfte des 5. und am Anfang des 6. Jahrhunderts angehören 6) . Aus der zweiten alemannischen Siedlungsperiode . stammen dagegen ausser der Wieden die Nachbarorte Hausen an der Aach, Volkertshausen, Neuhausen und vielleicht auch Hausen am Ballenberg 7). Das enge Nebeneinander mehrerer -hausen-Orte im mittleren Hegau lässt vermuten, dass das junge Dorf in der Wieden seinen auf die Mühle am Hepbach hinweisenden Namenszusatz schon bald nach der Gründung erhalten hat und so von Beginn an von dem etwa gleichalten Hausen an der Aach unterschieden worden ist.
Die Wieden mit den zu ihr gehörenden Rechten ist der Kern, aus dem im Hochmittelalter die Herrschaft Mägdeberg herausgewachs 11 ist. Sie enthält schon seit ihrer Entstehung die entscheidende Grundlage der späteren Dorfherrschaft: den Herrenhof. Dieser ursprüngliche dörfliche Adelshof des 6. oder 7. Jahrhunderts, der im Hochmittelalter als „Kellhof“ des Klosters Reichenau urkundlich fassbar wird, stand etwas oberhalb des Hepbachs und der Mühle an günstiger Siedlungsstelle 8). Um ihn herum und in rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm 9) ist die alemannische Siedlung entstanden, die sich dann im Laufe der Jahrhunderte zu ihrem heutigen Umfang ausgedehnt hat und hierbei auch räumlich mit den Gehöften auf der Leberen verschmolzen ist. Zubehör zum Herrenhof und Eigentum seines jeweiligen Inhabers war insbesondere die Mühle, von der das Dorf den Namen übernommen hat. Sie ist bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts Herrschaftsmühle geblieben.
6) Vgl. Funk, Frühbesiedelung des Hegaus, aaO.
7) Der heutige Hauserhof auf Gemarkung Anselfingen.
8) Die Lagebezeichnung „im Kellhof“ ist noch heute bekannt. Bis vor einigen Jahrzehnten gab es auch den Namen „Ennethofer Gasse“ („ennet‘ = „jenseits“) für die am Hof vorbeiführende Strasse; schon der Berain von 1461 erwähnt ihn mehrfach.
9) Über Bedeutung und organisatorische Struktur der Herrenhöfe vgl. insbesondere die Arbeiten von Viktor Ernst: Die Entstehung des niederen Adels, Stuttgart 1916; Mittelfreie, Berlin 1920; Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, Stuttgart 1926. Die Klöster pflegten die in ihren Besitz gelangten Herrenhöfe als „Kellhöfe“, den Kellhofverwalter als „Keller“ zu bezeichnen. Auch in Mühlhausen ist deshalb die Bezeichnung „Kellhof“ zweifellos nicht der alte Name des Herrenhofes gewesen, sondern in späterer Zeit entstanden, als der Hof bereits dem Kloster St. Gallen oder der Reichenau gehörte.
Dem jeweiligen Inhaber des Herrenhofes stand – und hierin lag das wichtigste Merkmal des Herrenhofs – das Recht von Zwing und Bann auf der ganzen Mühlhauser Gemarkung zu, das Recht, im Dorf zu gebieten und und zu verbieten 90 ). Wer den Herrenhof besass, war wirklich der „Herr im Dorf“.
Angesichts der entscheidenden Rolle, die der Herrenhof als Kernzelle der späteren Herrschaft Mägdeberg gespielt hat, lohnt es sich, seinen Besitzstand und seine Stellung im Dorf genauer zu erfassen. Die Quellenlage ist dank dem Berain von 1461, der in vielem Zustände wiedergibt, die zur Zeit seiner Abfassung bereits seit Jahrhunderten bestanden haben müssen, für einen solchen Versuch besonders günstig 10).
Wie regelmässig in den alten deutschen Dörfern, gehörten auch in Mühlhausen zum Herrenhof die besten Flurstücke. Sie sind aus dem Berain von 1461 noch in ihrem wesentlichen Bestand zu erkennen:
An Wiesenland besass der Herrenhof vor allem den “ Brühl“ , ein geschlossenes Flurstück von 12 Mannsmahd Grösse, das sich westlich des Hepbachs von der „Ehinger Gasse“ und der Herrschaftsmühle bis zur Brunngasse und zur Krähenmühle hinabzog 11).
An Ackerland ist im Esch gegen Krähen 1461 ein 6 Jauchert grosses früheres Ackerstück, genannt „die Breite“, in Eigenbewirtschaftung der Herrschaft. Es war erst wenige Jahre zuvor in einen Weingarten umgewandelt und dabei aus dem Flurzwang herausgenommen worden. Dieses Grundstück schliesst unmittelbar an den Ortsetter auf der Leberen an. An die „Breite“ stößt 1461 ein weiteres 6 Jauchert großes Ackerstück der Herrschaft, so dass sich hier eine Gesamtfläche von 12 Jauchert herrschaftlichen Ackerlandes ergibt. Im gleichen Esch hat die Herrschaft 1461 in verstreuter Lage noch acht weitere, nicht ausgeliehene Äcker – zwei Stücke zu 4, zwei zu 3 und eines zu 1 Jauchert sowie drei nicht nach dem Ausmass angegebene Äcker –, die grösstenteils in erheblicher Entfernung vom Ortsetter liegen und offensichtlich erst durch spätere Rodung gewonnen worden sind 12).
9) Zum Inhalt von Zwing und Bann vgl. K. S. Bader, Entstehung und Bedeutung der oberdeutschen Dorfgemeinde, in: Zeitschr. f. württ. Landesgeschichte, Jg. 1937, S. 265 ff (284).
10) Berain 10 855 (Mühlhausen) des GLA.
11) AaO., fol. 1 r.
12) Ebd., fol. 2 r.
Das Ackerland der Herrschaft in den beiden anderen der drei mittelalterlichen Esche wird 1461 durchweg als „Wittraiten“ gekennzeichnet, ist also Rodungsland: Im Esch „gegen den Mägdeberg und unter der Kirche“ erscheint wieder eine 10 Jauchert große „Breite“, ferner gehören zum Herrengut in diesem Gebiet vier verstreute Acker mit 8, 5, 4•und 4 Jauchert. Im dritten Esch, jenem „hinter der Kapelle“ , gibt es fünf herrschaftliche Acker, von denen der grösste, die 12 Jauchert umfassende „Breite zu Mittelfeld“ , verhältnismässig nahe am Herrenhof und an der Welschinger Strasse, die übrigen vier mit 4, 4, 2 und 2 Jauchert weiter oben am Berg liegen 13).
Da das Herrenland in den beiden zuletzt genannten Eschen ausdrücklich als Rodungsland bezeichnet ist, muss der Esch gegen Krähen – also das Gebiet nächst der Leberen – am frühesten als Ackerland bebaut worden sein. Erst später sind die näher am Herrenhof liegenden beiden Esche nordwestlich der Leberen hinzugekommen. Das bedeutet zugleich, dass das Ackerland um die Leberen und insbesondere in der Senke hinüber zum Hohenkrähen schon in Benutzung gestanden haben muss, ehe die Unterteilung des bebauten Bodens in die im Mittelalter vorhandenen drei Esche eingeführt wurde. Man kann sich danach den Hergang der Rodung zeitlich wie folgt vorstellen: Zunächst haben bäuerliche Siedler auf der Leberen, vermutlich schon in voralemannischer Zeit, das ihren Gehöften nächstgelegene Gebiet längs der Strasse in der Senke zum Hohenkrähen hinüber urbar gemacht. Erst nach der Gründung des Herrenhofes in der Wieden und von ihm ausgehend, also im 6. oder 7. Jahrhundert, setzte eine neue Rodungstätigkeit ein, die dem Gesamtdorf im Laufe der Zeit das weitere Ackerstück erschloss. Schon bei seiner Gründung scheint dem Herrenhof in der Wieden das 12 Jauchert grosse Ackerstück im Altland der Leberen zugeschlagen worden zu sein.
13) Ebd., fol. 3 r. – Das gleichzeitige Nebeneinander von drei , Breiten“ entspricht der mittelalterlichen Fluraufteilung in drei Esche, von denen abwechselnd je einer mit Sommer-, der andere mit Winterfrucht angepflanzt wurde, während der dritte als Brachland ausruhte. Das Wort „Breite“ hat 1461 nur noch die Bedeutung „herrschaftliches Ackerland“ schlechthin, es ist nicht mehr die Bezeichnung für einen einzigen Acker. Die Aufteilung der Flur in drei Esche dürfte auch in Mühlhausen nicht über das 8. Jahrhundert zurückgehen. Ursprünglich wird daher, wie in allen alten oberdeutschen Dörfern zum Herrenhof nur eine einzige „Breite“ gehört haben. Es war allem Anschein nach jene im späteren „Esch gegen Krähen“.
Es bleibt noch die Frage zu klären, von wo aus der Herrenhof und die zu ihm gehörenden Güter bei der Wieden gegründet worden sind. Weil sie erst zu einer Zeit entstanden sind, als das Land rund herum schon mit älteren alemannischen Siedlungen überzogen war, können sie nur aus einem dieser Altdörfer ausgegründet worden sein. Dass die Ausgründung von der Siedlung auf der Leberen her erfolgt sei, ist hierbei jedoch wenig wahrscheinlich. Dagegen spricht schon der früher sehr geringe Umfang der Siedlung auf der Leberen, die – wie erwähnt – wohl nur aus einem Adelshof mit ein paar Hintersassengehöften bestand. Ein Dorf von der Grösse der Wieden aus sich heraus zu gründen, war diese Siedlung schwerlich je in der Lage.
Es gibt noch andere Gesichtspunkte, die gegen die Annahme einer Ausgründung von der Leberen her sprechen: Zu jedem alemannischen Dorf gehörte ein Versammlungsplatz für die Gemeinde, der sogenannte „Espan“. Er befand sich in Mühlhausen in der Nähe des Kellhofs 14).
Ebenso lag ja auch der älteste Friedhof des neuen Dorfes nordwestlich von diesem am „Heerweg“ , nicht etwa im Gebiet der Leberen. Das zeigt recht deutlich, dass das Dorf in der Wieden von Anfang an als völlige Neugründung behandelt worden sein muss und nicht nur als ein an die ältere Siedlung auf der Leberen angelehnter neuer Ortsteil. Mit der Gründung des neuen Dorfes im 6. Oder 7. Jahrhundert ist der alte Adelshof auf der Leberen gänzlich in den Hintergrund getreten, und zwar soweit, dass nicht einmal sein Name auf die Neusiedlung überging. In diesem Zusammenhang muss man auch die Tatsache sehen, dass mit dem neuen Herrenhof der Wieden offenbar seit seiner Entstehung Zwing und Bann auf der ganzen Mühlhauser Gemarkung, also einschliesslich der Leberen, verbunden waren. Der alte Hof auf der Leberen muss demnach diese Rechte schon bei der Gründung der Wieden an den neuen Herrenhof verloren haben.
14) Berain 10855, fol. 20′ 1′, 28 v. Der „Espan“ lag im Bereich des heutigen Sportplatzes.
Die Frage, woher die Bevölkerung der Neusiedlung in der Wieden in der Hauptsache gekommen ist, ist damit noch nicht beantwortet. Die vermutlich richtige Lösung zeigt sich am klarsten bei einem Blick auf die Karte. Zu den Merkwürdigkeiten, von denen der Verlauf der Mühlhauser Gemarkungsgrenze auch sonst manche bietet, gehört vor allem die auffallend enge Anlehnung des Dorfteils in der Wieden an die Gemarkung des älteren Nachbardorfes Ehingen. Der Herrenhof Mühlhausens, der spätere „Kellhof“, liegt nur etwa 400 Meter von der Gemarkungsgrenze vor der Ehinger „Riedmühle“ entfernt, und von der Herrschaftsmühle bis zum nächsten Punkt Ehinger Gebietes sind es nicht einmal 250 Meter. Es ist damit sehr wahrscheinlich, dass die Neusiedlung in der Wieden von Ehingen aus gegründet worden ist. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass das Gebiet, auf dem der neue Herrenhof mit den zugehörigen Gehöften und der Mühle erbaut wurde, vorher zur Ehinger Gemarkung gehört hat. Dagegen spricht insbesondere der Umstand, dass der Hof auf der Leberen, die heute fast in der Mitte der Mühlhauser Gemarkung liegt, dann ursprünglich fast ebenso am Rande der Gemarkung gelegen haben müßte wie heute die Wieden. Die Abgerundetheit der Mühlhauser Gemarkung im Bereich der alten Strasse von Singen nach Engen deutet eher darauf hin, dass hier die Grenzen seit der ersten Aufteilung des Landes in der Frühzeit der alemannischen Besiedlung kaum verändert worden sind.
Die Ausgründung von Ehingen her, mit der dieses Altdorf seiner wachsenden Bevölkerung neuen Ackerboden erschloss, müsste also auf einer dem Gründerdorf fremden Gemarkung, nämlich der des Hofes auf der Leberen, vorgenommen worden sein. Das könnte dann ohne Schwierigkeit möglich gewesen sein, wenn sowohl Ehingen als auch Mühlhausen damals einen und denselben Herrn gehabt hätten. Dann wäre es auch unschwer erklärbar, wie die Zwing- und Bannrechte des Hofes auf der Leberen auf den neuen Herrenhof übertragen worden sein könnten.
Tatsächlich haben Ehingen und Mühlhausen zumindest im 8. Jahrhundert demselben Herrn gehört: beide Dörfer waren, wie wir hier vorausgreifend einschieben dürfen, anscheinend bis 746 Eigentum der alemannischen Herzogsfamilie. Sie sind es dann mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch im 6. und 7. Jahrhundert schon gewesen. Es liegt darum nicht fern, wenn wir bereits hinter der Gründung des neuen Dorfes Mühlhausen auf der alten Hofmark der Leberen einen von der alemannischen Herzogsfamilie geleiteten, planmässigen Siedlungsvorgang suchen.
Ein Blick auf die Karte ermöglicht auch im übrigen manche Rückschlüsse auf die Frühzeit des Dorfes. Er zeigt insbesondere die entscheidende Rolle, die die alten Wege bei der Abgrenzung der Gemarkung gespielt haben:
Wie in Richtung Ehingen so hat Mühlhausen auch gegen das alte Welschingen hin wenig Ausdehnungsmöglichkeiten gehabt. Doch liegt die Gemarkungsgrenze hier immerhin schon 1,5 Kilometer vom Herrenhof entfernt. Die Grenze gegen Welschingen wird im wesentlichen durch zwei Feldwege gebildet, die in den sogenannten „Grafenweg“ einmünden. Auch der Grafenweg hat ein hohes Alter. Erwähnt wird er unter diesem Namen schon in dem Mühlhauser Berain von 1461 15). Obwohl er für Mühlhausen wirtschaftlich fast bedeutungslos ist, da er am Dorf vorbeiführt und nur einen Zipfel der Gemarkung durchschneidet, hat er früher in überörtlichem Rahmen eine gewisse Rolle gespielt. Denn er war das Anfangsstück einer durchgehenden Wegverbindung von Weiterdingen über die Dietfurt nach Ehingen und von da in den Raum von Stockach und Überlingen. Hier hat möglicherweise die Namensdeutung anzusetzen: Weiterdingen und die Burg Hohenstoffeln waren im späten 11. und im 12. Jahrhundert Eigengut der Grafen von Pfullendorf, von denen ein Graf Ludwig unter dem Namen „von Stoffeln“ zwischen 1067 und 1101 mehrfach als Graf im Hegau erscheint 16). Der Kern des pfullendorfischen Gutes lag damals im Linzgau und in Überlingen 17) . Weil der Mühlhauser Grafenweg die kürzeste Verbindung zwischen den pfullendorfischen Besitzungen Weiterdingen / Hohenstoffeln und dem Linzgau darstellte, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sein Name auf eine häufige Benützung durch die Grafen von Pfullendorf – Stoffeln zurückgeht 18). Vermutlich ist der Weg als solcher aber älter als sein heutiger Name und ein früherer „Dietweg“ , worauf die in seiner unmittelbaren Verlängerung gelegene „Dietfurt“ 19) am Hepbach hinzudeuten scheint.
15) Z. B. fol. 7 v.
16) Vgl. Karl Schmid, Graf Rudolf von PfuIIendorf und Kaiser Friedrich I. = Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte, Bd. 1, Freiburg 1954, S. 37.
17) Ebd., S. 89 ff.
18) Der Weg gehörte im 11./12. Jh. wie ganz Mühlhausen zum Immunitätsgebiet der Abtei Reichenau, in dem der Graf keinerlei Amtsbefugnisse ausüben durfte. Gerade darum konnte sich eine wiederholte Benutzung des Weges durch den Grafen in der Volkserinnerung und damit in der Namensgebung unschwer niederschlagen.
19) 1461 „Tetfurt“: Berain 10855, fol. 34 r. – Die Dietfurt mit der früheren Mühle gehört politisch zu Ehingen. 1582 ist sie Eigentum derer von Reischach auf Hohenstoffeln (vgJ. Edward Frh. von Hornstein-Grüningen, Die von Hornstein und Hertenstein, Konstanz 1911 ff., S. 262). Wie weit dieser Zusammenhang mit Hohenstoffeln zurückreicht, ist unbekannt.
Nach Südosten stösst die Mühlhauser Gemarkung, wie bereits erwähnt, längs der uralten Strasse nach Singen in einer schmalen Zunge unterhalb des Hohenkrähens bis auf die Singener Gemarkungsgrenze vor, die hier aus der Gegenrichtung der Strasse entlang ebenfalls ein erhebliches Stück über ihre sonstige Linie hinaus vorgeschoben ist. Die Gemarkungsgrenze von Mühlhausen entfernt sich hier. rund 2,5 km vom Herrenhof. Weil die Gemarkungen Mühlhausen und Singen an dieser einen Stelle unmittelbar aufeinandertreffen, werden die zwischen bei den Orten liegenden Gemarkungen Schlatt und Hausen von der an ihnen vorbeiführenden Strasse vollständig ferngehalten. Offenbar ist Hausen – wohl als Tochtergründung von Singen – erst entstanden, als Singen sich den Gebietsstreifen längs der alten Strasse bereits gesichert hatte 20). Entsprechend hat es den Anschein, dass Schlatt, das sich nicht nur durch den geringen Umfang seiner Gemarkung (330 ha), sondern auch durch seinen Namen 21) als etwas jüngere Siedlung ausweist, von Mühlhausen her gegründet worden ist, wobei Mühlhausen sich das Stück an der Straße ebenfalls vorbehielt. Dieser erste Eindruck einer gründungsgeschichtlichen Abhängigkeit des Dorfes Schlatt von Mühlllausen wird durch die Gestalt seiner übrigen Gemarkung bestätigt, die offensichtlich aus früherem Mühlhauser Gebiet herausgeschnitten ist. Die Ausgründung von Schlatt wird wohl im 8. Jahrhundert stattgefunden haben, da auch dieses Dorf schon 787 urkundlich erscheint 22).
Eine späte, vermutlich im 12. Jahrhundert entstandene Abmarkung aus Mühlhauser Gebiet ist ferner die bis 1926 selbständig gebliebene kleine Sondergemarkung um die Burg Hohenkrähen. Sie gehört heute zwar zu Duchtlingen, weist aber in ihren Anfängen klar nach Mühlhausen, und zwar auf den Hof der Leberen. Auf ihre Entstehung wird unten noch einzugehen sein.
20) Hausen hat aber schon alemannische Gräber; vgl. Funk, Frühbesiedelung des Hegaus, aaO., S. 38.
21) Schlatt = „sumpfiges Gebiet“. Vielleicht deswegen bezeichnet der MühlhauserVolksmund die Einwohner von Schlatt als „Bremen (Stechfliegen). Die Ehinger haben den Übernamen „Quaken“ (Krähen), die Mühlhauser selbst bei diesen Nachbarn den Spottnamen „Käfersieder“.
22) Wartmann, Urk. Nr. 111.
Die Gestalt der Mühlhauser Gemarkung östlich des Hepbachs ist geradezu ein Kuriosum. Die Gemarkung schiebt sich hier in einem verhältnismässig schmalen, unregelmässigen Streifen längst des Alten Weges zum Rumisbohl vor, der politisch in seiner ganzen Ausdehnung zu Mühlhausen gehört. Dabei verläuft die Gemarkungsgrenze rund 4,5 km vom einstigen Mühlhauser Herrenhof, aber nur etwa 300 m vom Ortsetter Volkertshausens entfernt. Die historische Erklärung für diese auffallende Benachteiligung von Volkertshausen, das etwa gleich alt wie das Dorf in der Mühlhauser Wieden sein dürfte, liegt wohl darin, dass der Rumisbohl längs des Alten Weges schon vor der Gründung von Volkertshausen durch Ehingen in Beschlag genommen war und von Ehingen bei der Ausgründung der Wieden an Mühlhausen abgetreten worden ist. Möglich wäre allerdings auch, dass der Rumisbohl ursprünglich zu dem Hof auf der Leberen gehört hat. Entlang des Alten Weges zwischen Hepbach und Rumisbohl befindet sich durchweg spät urbar gemachtes Land, das auch im Spätmittelalter noch nicht in die drei Esche einbezogen und grösstenteils mit Wald und Sumpf bedeckt war. Die näher am Dorf gelegenen Stücke sind bis in die Neuzeit hinein Allmende geblieben, so die erst im 19. Jahrhundert ausgestockte, vorher mit lichtem Eichenwald bestandene „Uttweid“ (Auchtweide), die als Nachtweide diente, oder der Mühlhauser Teil des „Aubohls“.
Im Ganzen, einschliesslich des Mägdebergs, hat die Gemarkung Mühlhausen heute einen Umfang von 997 Hektar. Das entspricht ungefähr der mittleren Gemarkungsgröße der alemannischen Altsiedlungen in der näheren Umgebung. Zum Beispiel hat Ehingen 999 ha, Welschingen 981 ha, Weiterdingen 957 ha 23). Dagegen weisen die Nachbardörfer aus der zweiten Siedlungsperiode, so etwa Neuhausen, Volkertshausen, Hausen an der Aach und Schlatt, durchweg geringere Gemarkungsgrössen auf.
Noch der Berain von 1461, die beste Quelle zur wirtschaftlichen Lage Mühlhausens im Mittelalter, lässt erkennen, dass die rechtliche Stellung des Herrenhofes innerhalb des Dorfes ursprünglich sehr stark war. Wie schon erwähnt, ist der jeweilige Inhaber des Herrenhofes Träger von Zwing und Bann, also des Rechtes, im ganzen Dorf zu gebieten und zu verbieten. Eigene Rechte der Bauerngemeinde auf der Gemarkung sind nur in beschränktem Umfange festzustellen. Es ist ausser dem Allmendeigentum im wesentlichen nur das Recht am „Espan“ , dem Versammlungsplatz der Gemeinde, und an einem „Tanzplatz“ bei der Kirche 24).
23) Lediglich das ebenfalls aus der ersten Siedlungsperiode stammende Duchtlingen besitzt nicht mehr als 619 ha.
24) Espan: vgl. Berain 10855, fol. 20 r, 28 v. – „Uff lebra der tantzplatz unter den linden“ (vielleicht das heutige „Lindengärtle“ östlich vor der Kirche): ebd., fol. 17 v. – Beide Grundstücke werden in der außerordentlich sorgfältigen Aufzählung des Berains von 1461 nicht als Herrschaftseigentum erwähnt, gehörten also der Gemeinde.
Das weitaus grösste Waldstück im Mühlhauser Bann, der Rumisbohl, lag seit jeher in der Hand der Herrschaft. Es wird 1595 auf 205 Jauchert Umfang geschätzt und war damals mit Eichen bestanden 25) . Zum Rumisbohl gehörten ursprünglich auch die sogenannten „Reiteren“ 26), von denen 1461 bereits 60 Jauchert ausgestockt und gegen eine Abgabe von zwei Viertel Kernen je Jauchert und Nutzungsjahr an Mühlhauser Bauern verliehen waren 27). Weitere Rodungen in den Reiteren sind später durch den Holzbedarf der herrschaftlichen Ziegelhütte ausgelöst worden, die bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts an der Stelle des heutigen „Waldhofs“ gestanden hat und sich urkundlich seit etwa 1660 nachweisen lässt 28). Neben dem Rumisbohl waren sämtliche Holzmarken im Bereich des Mägdebergs Eigentum der Herrschaft 29).
Wir müssen nun auch versuchen, ein genaueres Bild des Hofes auf der Leberen zu zeichnen. Zu der Zeit, in der die ausführlicheren wirtschaftlichen Beschreibungen von Mühlhausen einsetzen – im 15. Jahrhundert –, war er schon nicht mehr als geschlossene Wirtschaftseinheit vorhanden. Wir sind daher bei der Ermittlung seines früheren Bestandes und Umfanges auf Rückschlüsse anhand der Besitzlage im 15. Jahrhundert angewiesen. Auch auf diesem Wege lässt sich indessen ein recht zuverlässiges Bild des ursprünglichen Zustandes gewinnen. Es sind im wesentlichen drei grössere Güterkomplexe des 15. Jahrhunderts, in denen sich unschwer der einstige Grundbesitz des Hofes auf der Leberen wiedererkennen lässt: das damalige Mühlhauser Eigengut der Herren von Friedingen zu Krähen, der Mühlhauser Güterbesitz des Klosters Feldbach und das Ausstattungsgut der Pfarrkirche. Auch die beiden zuletzt genannten Gütermassen scheinen – insoweit sei dem Gang unserer Untersuchung vorgegriffen – einmal Eigengut der Herren von Friedingen gewesen zu sein, bevor dieses Geschlecht die Einheit des alten Hofes auflöste, um mit einem Teil des Besitzes die von ihm wohl um 1200 gegründete Pfarrei wirtschaftlich auszustatten.
25) von Reischachisches Archiv Schlatt, Akten Mägdeberg, Fasz. 2, Anschlags-verzeichnis vom 22. 8. 1595.
26) Von „reuten“, „roden“. – 1461 „die rütene“: Berain 10855, fol. 37 r, 38 v.
27) Ebd.
28) Enzenberg-Archiv Singen (= EAS), A I 7/1 Findnr. 1
29) Berain 10 855, fol. 1 r.
Der Hof auf der Leberen muss in manchem ein verkleinertes Spiegelbild des Herrenhofes in der Wieden gewesen sein. Wie zum Herrenhof gehörten auch zu ihm abhängige Bauerngüter und eigenes Hofland. Von allen diesen Grundstücken gingen keine Gülten oder Zinsen an den Hof in der Wieden. Zum Teil sind die Bauerngehöfte noch bis in die Neuzeit hinein Lehen von Hohenkrähen geblieben 30). Ebenso hatte der Inhaber der Leberen seine besonderen Leibeigenen, die zumeist auf den zum Hof gehörenden Gütern sassen. Im 15. Jahrhundert etwa dürften die friedingischen Leibeigenen ein Drittel der Mühlhauser Bevölkerung ausgemacht haben 31).
Der grössere Teil des friedingischen Hoflandes – also derjenigen Grundstücke, die nicht einzelnen Bauerngütern zugeschlagen, sondern noch in Eigenbewirtschaftung der Herren von Friedingen waren – ist im Gebiet südlich der Kirche gegen den Hohenkrähen zu feststellbar, also im ältesten Esch des Dorfes. Hier gibt es 1461 mehrere Acker und Egerten 32) Wilhelms von Friedingen, und auch ein friedingischer „Brühl“ erscheint am Hepbach in der Nähe der Gemarkungsgrenze gegen Schlatt 33). Weiter besitzen die Friedinger 1461 am Hepbach eine eigene Mühle, die erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts abgegangene „Krähenmühle“ etwas oberhalb der Johannisbrücke am Alten Weg 34).
Einstiges friedingisches Allod ist ferner das 1461 erwähnte Mühlhauser Gut des thurgauischen Frauenklosters Feldbach 35), von dem noch heute die „Frauenwiesen“ und „Frauenäcker“ unterhalb der Jöhannisbrücke den Namen tragen. Diese Grundstücke sind jedenfalls als Mitgift der Elisabeth (Bethe) von Friedingen an das Kloster gekommen, die 1344 und 1349 als Nonne in Feldbach nachzuweisen ist 36).
Ein dritter sichtlich aus friedingischem Eigengut herausgeschnittener Güterkomplex ist das Ausstattungsgut der Pfarrkirdle, vor allem die am Hepbach gelegene „Kirchbreite“ und die „Pfaffwiesen“. Zusammen mit dem noch 1461 friedingischen Besitz und dem damaligen Grundbesitz des Klosters Feldbach ergeben diese Flurstücke eine geschlossene Fläche von erheblichem Umfang, die bei der Krähenmühle unmittelbar an den Brühl der Wieden anstösst.
30) Vgl. etwa Urk. Nr. 15 (v. 1608) des EAS.
31) Die Friedinger stellen 1489 vier der zwölf Richter zum Dorfgericht, die Herrschaft Mägdeberg acht – EAS, Urk. Nr. 4 (Notariatsabschrift v. 1556, Okt. 24) i die Urkunde ist seit einigen Jahren verschollen.
32) Egart: für mehrere Jahre unbebauter Acker.
33) Berain 10855, fol. 35 r, 36 v.
34) Ebd., fol. 1 r. – Auf einer Skizze von 1770 ist die Krähenmühle am Westrand des Hepbachs eingezeichnet – EAS; S I 4/3 = Findnr. 937.
35) Berain 10855, fol. 7 r, 11 v. ‚
36) Vgl. J. Kindler v. Knobloch und O. Frh. v. Stotzingen, Oberbadisches Geschlechterbuch, 3 Bde., Heidelberg 1898/1919, Bd. 1, S. 397. – Auch eine friedingische Jahrzeitstiftung in Feldbach von 1346 ist bekannt i vgl. Die Regesten der Archive in der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 2, Chur 1854, Abtlg. Feldbach, Reg. 76.
Die genaue Lage des ehemaligen friedingischen Hofes lässt sich anhand der Überlieferung nicht feststellen. Sicher hat er aber auf der Anhöhe bei der Kirche, die wohl ursprünglich als Kapelle zu ihm gehörte, gestanden. Vielleicht geht der Name „auf der Schanz“ für das Flurstück unmittelbar westlich des Friedhofs auf diese frühmittelalterIiche, nach dem Brauch ihrer Zeit wohl mit Palisaden befestigte Hofstatt zurück. Die Vermutung liegt nahe, dass der einstige friedingische Adelshof mit der Ausstattung der Elisabeth von Friedingen um 1340 an das Kloster Feldbach gelangt und so mit dem 1461 genannten „Gut der Frauen zu Feldbadl“ identisch ist. Von Feldbach, das nach 1461 in Mühlhausen nicht mehr als Grundbesitzer in Erscheinung tritt, dürfte der Hof oder die Stelle, auf der er einmal lag, an das ebenfalls thurgauische Kloster Münsterlingen gekommen sein. Münsterlingen, das 1461 in Mühlhausen noch nicht erwähnt worden war, verkauft hier 1499 an das Domkapitel zu Konstanz eine Hofstatt als Platz für die künftige Zehntscheuer 37). Diese Zehntscheuer des Domkapitels soll nach Mühlhauser Erzählung an der Stelle des heutigen Pfarrhauses neben der Kirche gestanden haben.
Weil Zwing und Bann über die gesamte Mühlhauser Gemarkung am Herrenhof in der Wieden hafteten, war die rechtliche Stellung des Hofes auf der Leberen eine weit schwächere. Zum Kern einer selbständigen Herrschaft konnte der Hof auf der Leberen nicht werden. Vielmehr wurde er mit der Ausbildung der Herrschaft Mägdeberg, vom Ausgangspunkt her folgerichtig, mit der gesamten Leberen ein Teil dieses Herrschaftsverbandes. Soweit sich der Mühlhauser Zwing und Bann erstreckt, reicht später das Gebiet der Herrschaft Mägdeberg. Dessen ungeachtet besteht ein enger geschichtlicher Zusammenhang zwischen dem Hof auf der Leberen und Burg und Herrschaft Hohenkrähen: Als die Herren von Friedingen gegen Ende des 12. Jahrhunderts ihre neue Burg Hohenkrähen errichten, geschieht dies auf einem Gebiet, welches bis dahin zu dem Hof auf der Leberen gehört hatte und erst anlässlich der Burggründung von Mühlhausen abgemarkt worden war. Darauf wird unten näher einzugehen sein. Auch die Gründungsgeschichte der Pfarrei und das spätere hohenkrähische Erbbegräbnis in Mühlhausen lassen deutlich die enge Verbindung zwischen dem friedingischen Adelshof auf der Leberenund Hohenkrähen erkennen.
37) Vgl. Manfred Krebs, Die Protokolle des Konstanzer Domkapitels 1499-1502, in: ZGO 101,74 H., Reg. 1180.
Kraft des Zwings und Banns waren auch die Leibeigenen der adligen Herren der Leberen ursprünglich zur Mitarbeit auf dem Herrenland des Hofes in der Wieden verpflichtet. Als Ersatz für diese einstmals persönlichen Dienste hatten diejenigen friedingischen Leute, die einen eigenen Pflug besassen, noch 1461 von jedem Gespann 15 Schilling als sogenanntes Baugeld an die Herrschaft Mägdeberg zu zahlen 38). Während diese regelmässig wiederkehrenden Fronen zur Bestellung des Herrengutes 1461 schon klar abgelöst oder in Geldleistungen umgewandelt waren, hat es bei den übrigen Frondiensten noch im Spätmittelalter an einer befriedigenden Dauerregelung hinsichtlich der friedingischen Leute gefehlt. Vor allem die Frage der Befestigungs- und Burgbaufronen, zu denen der Inhaber des Herrenhofs und der Burg Mägdeberg die Dorfgemeinde aufbieten konnte, ist in Mühlhausen mit seinen beiden Burgen Mägdeberg und Hohenkrähen noch lange ein heisses Eisen geblieben.
38) Berain 10855, fol. 4 r. – Die übrigen Mühlhauser Untertanen die nicht friedingische Leibeigene sind, zahlen 1461 für jedes Gespann 1 Pfund 2 Schilling; ebd. – Das Baugeld ist wenig später, anscheinend ersatzlos, auf ungefähr die Hälfte herabgesetzt worden: 1489 zahlen die friedingischen Leute 8 ½ Schilling (Urkunde Nr. 4 des EAS); nach einem Urbar aus der Zeit um 1500 (GLA, Berain 11 233) geben sie sogar nur 8 Schilling, die übrigen Untertanen 11 Schilling an die Mägdeberger Herrschaft.
Quelle: Eberhard Dobler, Burg und Herrschaft Mägdeberg, 1959
Oberwiesenstraße 3
D-78259 Mühlhausen-Ehingen
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